Wichtig für die Kraftübertragung auf die Straße sind die Reibungskräfte auf der Fahrbahn. Die gesamte Vermittlung dieser Haftungskräfte erfolgt über die Reifen.
Für die Betrachtung der Reifenhaftung gibt es das vereinfachte Modell der Coulombschen Reibung, welches für die Darstellung der Grundprobleme reicht, obwohl es nicht ganz sachgerecht ist - Eine genaue, gute und ausführliche Beschreibung der Reifenhaftung an sich habe ich auf der Motorsport-Seite von Bridgestone gefunden.
Hier soll uns Folgendes genügen: Die Kraft ist kaum von der Reifengröße abhängig, sie hängt aber vom Gewicht und den Reibungsverhältnissen zwischen Reifen und Straße ab - wie man es von der Coulombschen Reibung her kennt. Reifen, die für höhere Geschwindigkeitsklassen gebaut sind, haben in der Regel auch weichere Gummimischungen und sollten besser auf der Straße haften.
Ein Reifen muss im Fahrbetrieb zwei Arten von Kräften übertragen:
Wichtig ist, dass Reifen nur ein bestimmtes Kraftschlusspotential haben. Der Kammsche Reibungskreis drückt das aus, was aus der Coulombschen Reibung und der verktoriellen Addition der maximal übertragbaren Haftreibungskraft folgt.
Die Grafik zeigt, wie Seitenkräfte, Umfangskräfte und der Kammsche Reibungskreis zusammenhängen:
Umfangskraft und Seitenführungskraft begrenzen sich gegenseitig. Wenn der Fahrer beim Gasgeben in der Kurve diese Zusammenhänge nicht beachtet, wird der rote Pfeil so lang, dass er den Kammschen Reibungskreis verläßt. Auf der Straße heißt das, dass das Rad die Bodenhaftung verliert, durchdreht, blockiert oder das ganze Fahreug zum Ausbrechen (Hinterräder ohne Haftung) bringt bzw. das Fahrzeug geradeaus weiter rutschen läßt (Vorderräder ohne Haftung).
Das Kraftschlusspotential kann durch verschiedene Maßnahmen erhöht werden:
Ein höheres Fahrzeuggewicht erhöht das Kraftschlusspotential. Das Fahrzeuggewicht erhöht
aber auch den Beschleunigungswiderstand und fordert bei Kurvenfahrt mehr Seitenkräfte, so
dass dadurch keine Verbesserungen bei der maximalen Kurvengeschwindigkeit möglich sind.
Die Bremswege werden auch nicht kürzer, eher länger (liegt eher an der Bremsanlage).
Und das Beschleunigungsvermögen läßt nach, da die unveränderte Motorleistung mehr Masse
in Bewegung setzen muss.
Geometrische Interpretation: Der Durchmesser des Kammschen Kreises vergrößert sich, aber
die Kraftvektoren wachsen im gleichen Verhältnis mit.
Im Rennsport sorgen Spoiler für vergrößerten Abtrieb. Da die Effekte, die bei größerer
Masse auftreten, hier fehlen, kann man eine höhere Kurvengeschwindigkeit fahren und die Räder
können mehr Antriebs- und Bremskräfte übertragen.
Geometrische Interpretation: Der Durchmesser des Kammschen Kreises vergrößert sich.
In der Praxis erweist sich die Reifenhaftung nicht als einfache Coulombsche Reibung, daher ist der Kammsche Reibungskreis auch eher eine Ellipse, wie das Bild rechts zeigt. Danach kann ein Reifen höhere Umfangskräfte als Seitenkräfte übertragen.
Bei idealer Coulombscher Reibung würde der gestrichelte blaue Viertelkreis gelten
und sich bei 40% Seitenführungskraft noch 92% der maximal möglichen Umfangskraft
übertragen lassen, was sich nach der Formel berechnen ließe.
Tatsächlich ist das Kraftschlusspotential aber niedriger, siehe Bild.
Man erkennt, dass bei maximaler Kurvengrenzgeschwindigkeit (100 % Seitenführungskraft) schon eine kleine Verringerung der Seitenkräfte (etwas größeren Kurvenradius fahren) eine erhebliche Steigerung der Umfangsskräfte ermöglicht.
Oft hört man, dass ein Lkw nur auf der Fläche eines Zehn-Euro-Scheines steht. Stimmt das?
Nun, physikalisch gesehen ist diese Aufstandsfläche mal dem Reifen-Innendruck gleich der äußeren
Kraft, die der Reifen auf der Straße abstützt.
Der folgende kleine JavaScript-Rechner berechnet die Kontaktfläche zwischen Reifen und
Fahrbahn. Der Wert ist als ungefähre Fläche zu verstehen, in der Praxis muss man berücksichtigen,
dass der Reifen weder elastisch noch so dünn wie eine Folie ist:
![]() |
||
A | Aufstandsfläche je Rad in [m2] |
|
mAchse | Achslast in [kg] |
|
g | Erdbeschleunigung, g=9,81 m/s2 |
|
pRad | Reifenfülldruck eines Reifens an der Achse in [N/m²] |
Bei einem vollgeladenen Golf mit 890 kg Vorderachslast und 2,5 bar Reifenfülldruck an der Vorderachse ergibt das also (mindestens) 170 cm2 Aufstandsfläche je Rad oder etwa einen 10 € Schein.