Bild 1: Viskokupplung für Hang-On Allradsysteme |
Bild 2: Viskokupplung für Hang-On Allradsysteme, Prinzipskizze |
Bild 3: Viskokupplung mit Differenzial, Schnittmodell. |
Bild 4: Viskokupplung mit Differenzial, Prinzipskizze |
In der Viskokupplung wird die Leistung über ein Fluid (in der Regel Silikon-Öl) übertragen. Im Prinzip erinnert sie an eine hydrodynamische Kupplung (Föttinger-Kupplung ohne Drehmomentwandlung) in Automatik-Getrieben älterer Bauart.
Es gibt normalerweise keine mechanische Verbindung zwischen der Eingangs- und Ausgangswelle. Prinzipbedingt kann die Viskokupplung nur Drehmomente übertragen, wenn eine Drehzahldifferenz vorhanden ist, bedeutet aber auch, dass bei einer Drehzahldifferenz auch Leistungsverluste entstehen, d.h. ein kleiner Teil der Motorleistung kommt nicht am Rad an, sondern wird von der Viskokupplung in Wärme umgewandelt.
Die folgende Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen Drehzahldifferenz (horizontale Achse) und dem Drehmoment (vertikale Achse), welches bei einer bestimmten Drehzahl übertragen werden kann:
Praktisch ergibt das folgende Charakteristik:
Bei kleinen Drehzahldifferenzen wird nur sehr wenig Drehmoment übertragen
Mit steigender Drehzahl nimmt auch die Sperrwirkung zu
Der Anstieg des Momentes ist degressiv, d.h. bei doppelter Drehzahl wird weniger als das doppelte Drehmoment übertragen.
Wie man sieht, überträgt die Viskokupplung auch bei kleinsten Drehzahldifferenzen ein Moment.
Als Fluid dient meist Silikonöl, mit dem die Viskokupplung zu über 90% befüllt wird (der genaue Wert hängt von der Auslegung ab). Die Luft wird von den Schlitzen in den Lamellen (siehe folgendes Bild, A = Außenlamelle, I = Innenlamelle) aufgenommen.
Wenn sich die Viskokupplung im Betrieb erwärmt, dehnt sich das Silikonöl aus und die Luft wird immer mehr im Silikonöl gelöst, so dass die Kupplung bei starker Erwärmung unter Umständen keine Luftblasen mehr enthält. Sobald dieser Zustand erreicht ist, steigt der Druck in der Viskokupplung stark an und der folgende Effekt kann bei geeigneter konstruktiver Auslegung eintreten:
Bei der Viskokupplung kann durch die technische Auslegung ein spezieller Effekt hervorgerufen werden, der als Hump-Effekt bekannt ist. Der Hump-Effekt bewirkt, dass die Viskokupplung bei größerer Belastung plötzlich höhere Drehmomente überträgt, ohne das sich die Drehzahldifferenz geändert hätte. Dies tritt ein, wenn die Luft vollständig gelöst wurde, und falls die Lamellen eine spezielle Form haben. Die Innenlamellen werden so an ihren radialen Nuten geformt, dass sie ein Flügelprofil erhalten. Wenn die Luft völlig im Silikonöl gelöst ist, werden die Innenlamellen gegen die Außenlamellen gedrückt, wodurch zusätzliche mechanische Reibung zwischen den Lamellen entsteht.
Der Hump Effekt ist nicht richtig planbar, er tritt ein, wenn die Viskokupplung mechanisch überlastet wird, dies kann bei niedrigerer Drehzahldifferenz und längerer Beanspruchung auftreten oder bei hoher Drehzahldifferenz schon nach kurzer Beanspruchung.
Durch den Hump-Effekt überträgt die Viskokupplung mehr Moment, und bringt das
Fahrzeug dadurch schneller aus der Situation, die für die Überlastung verantwortlich ist.
Der Hump-Effekt funktioniert nur bei Drehzahldifferenz, es entsteht keine 100%ige
Sperrwirkung durch den Hump-Effekt. Sobald die Drehzahldifferenz verschwindet,
fällt auch der hydrodynamische Effekt weg, der die Innenlamellen gegen die
Außenlamellen drückt und die Viskokupplung arbeitet wieder normal.
Allerdings: Je wärmer die Viskokupplung ist, um so schneller kehrt sie bei
Überlast in den Hump-Modus zurück.
Der Hump-Effekt wurde früher gelegentlich falsch als dilatantes Verhalten des Silikonöls beschrieben - wie gezeigt, nimmt das übertragene Drehmoment normalerweise degressiv mit zur Drehzahl zu. Bei dilatanten Fluiden steigt dagegen mit der Drehzahldifferenz auch die Viskosität, so dass ein besonder starker Anstieg zu beobachten wäre. Doch der Hump-Effekt hat nichts mit solchen Viskositätssprüngen zu tun, denn Silikonöl ist nicht dilatant.
Literatur zum Hump-Effekt: SAE Technical Papers 900557 Induced Torque Amplification in Viscous Couplings von Herbert Taureg und Dr. Joachim Horst, März 1990
Normalerweise wird zur Aufteilung der Leistung zwischen Vorder- und Hinterachse ein Zentraldifferenzial verwendet. Man kann aber auch einfach die Leistung von einer Achse an die andere Achse mit einem einfachen Zahnradsatz weiterleiten. Der Nachteil dieser Lösung ist, dass ein Drehzahlunterschied zwischen Vorder- und Hinterachse so nicht ausgeglichen werden kann. Setzt man jedoch in die Kardanwelle eine Viskokupplung ein, dann erlaubt diese kleine Drehzahlunterschiede.
Über die Anwendung der Viskokupplung im Porsche 911 Turbo gibt von den Porsche Entwicklern es einen ausführlichen Bericht in der ATZ
Abtriebswelle
Außenlamellenträger
Außenlamelle, wird vom Außenlamellenträger durch eine Verzahnung mitgenommen
Innenlamelle, wird vom Innenlamellenträger durch eine Verzahnung mitgenommen
Fluid (Silikonöl)
Antriebswelle
Gehäuse des (offenen) Differenzials
Tellerrad
Kegelrad (Antrieb, z.B. von der Kardanwelle)
Drehzahlabhängige Sperrwirkung
Auslegung der Kennlinie über folgende Parameter:
Mittlerer Durchmesser, Anzahl und Abstand der Lamellen
Viskosität des Silikonöls
Befüllungsgrad
Schlitzgröße der Lamellen
ABS und ESP müssen an die Viskokupplung angepasst werden
Einsatz als Achs- und Zentraldifferenzial sowie im Hang-On System
Bei kleinen Drehzahldifferenzen ist die Wirkung der Kupplung gering, so dass bei weiten Kurven das von der Viskokupplung verursachte Untersteuern (auf Geradeaus-Kurs bringen) geringer ausfällt, als bei engen Kurven.
Verschleißfreie Arbeitsweise, wenn die Viskokupplung nicht auf den Hump-Effekt ausgelegt ist.
Die Viskokupplung dämpft Schwingungen des Antriebsstranges, insbesondere bei Hang-On Lösungen