Die Mathematik des Strukturvertriebes

Der folgende Beitrag ist mehr zur Abschreckung gedacht: In unserem Wirtschaftsleben treten immer wieder so genannte Strukturvertriebe auf, die sich selbst gerne unter Namen wie 'Multilevel-Marketing' und 'Empfehlungsmarketing' vorstellen. Im Allgemeinen Sprachgebrauch werden sie dagegen häufig eher 'Schneeballsysteme' genannt und von ihrem Aufbau her weisen sie eine Pyramidenform auf.

An der Spitze steht der Erfinder der Struktur oder eine Firma, die Produkte oder Dienstleistungen verkaufen möchte. Nehmen wir also als Initiator eine Person an, die zunächst n Personen findet, die das Produkt selbst verbrauchen und von denen jeder wieder jeweils n weitere Personen findet, von denen dan jeder seinerseits wiederum n Kunden findet, die das Produkt verkaufen / verbrauchen ... so baut sich Ebene um Ebene in Form einer Pyramide auf.

Eine -unter mathematischen Gesichtspunkten- vergleichbare Variante sind die 'Herzkreise' oder 'Schenkungskreise' oder auch die nicht ganz so formellen Varianten der Kettenbriefe: Jeder, der mitmacht, muss der Person an der Spitze einen Betrag von beispielsweise 5000 Euro 'schenken' und außerdem zwei bis vier neue Mitspieler werben. Irgend wann, beispielsweise nachdem er die 4. Generation neuer Mitspieler begrüßt hat, steht der Einsteiger endlich selbst an der Spitze und bekommt dann von diesen Einsteigern jeweils 5000 Euro. Bei nur je zwei neuen Mitspielern sind dies in der 4. Generation 31 Personen, die ihm je 5000 Euro schenken sollten ... das sieht attraktiv aus, wenn man genug Dumme findet, die sich ihrerseits wiederum an dem Aufbau der Struktur beteiligen.

Die Generationen

Die folgende Grafik zeigt eine Struktur, bei der jede geworbene Person jeweils 3 neue Kunden finden muss. Man kann der Einfachheit halber die einzelnen Generationen (hier soll das Kürzel k verwendet werden) auch als Tage (Wochen, Monate) ansehen, wobei jeder Angeworbene am nächsten Tag drei neue Personen wirbt.

Das Schema selbst ist in den Naturwissenschaften und in der Wirtschaft wohlbekannt: Die Vermehrung von Bakterien oder die Verzinsung von Geld werden mit der gleichen mathematischen Methode analysiert und das Wachstum der Mitglieder mit den Generationen ist (in mathematischem Sinne) exponentiell.

Generationen im Strukturvertrieb


Mathematisch sind dabei folgende Fragen interessant:

  1. Wie viele Menschen sind in der k-ten Generation?
  2. Wie viele Menschen sind insgesamt zwischen der 0. und k-ten Generation beteiligt?
  3. Ab welcher Generation k ist die gesamte Weltbevölkerung (Stand 2016 etwa 7,4 Milliarden Menschen) beteiligt?

Antwort 1: Wenn jede Person in einer Generation jeweils n neue Personen werben soll, dann gehören zu jeder Generation n mal mehr Personen, als zur Vorgängergeneration. Ganz allgemein gilt:

wobei A(k) die Anzahl A der Personen in der k-ten Generation ist.


Antwort 2: Die Summe aller Personen von der 0-ten bis zur k-ten Generation sind

n =  Personen, die jeder werben muss Formel zur Berechnung aller Beteiligten in einem Strukturvertrieb
k =  Generationen
S =  Anzahl aller Personen bis zur k-ten Generation

wobei S(k) die Summe S bis zur k-ten Generation ist.


Antwort 3: Schließlich ist auch noch interessant, ab welcher Generation k eine bestimmte Summe S von Personen an der Struktur beteiligt ist:

n =  Personen, die jeder werben muss
S =  Anzahl aller beteiligten Personen
(Weltbevölkerung ~ 7,4 Mrd. Menschen)
k =  Anzahl der Generationen

Hier kann man für S die Bevölkerung Deutschlands, Europas, der Welt oder andere unterhaltsame Werte einsetzen. Es zeigt sich, dass man recht schnell die ganze Welt als Kunden haben muss, wenn man einen Vertrieb mit ein paar Verkäufer-Generationen aufgebaut hat.

Fazit

In der Praxis zeigt sich, dass Schneeballsysteme vor allem etwas für den bringen, der sie erfunden hat. Mit rührseligen Geschichten wie "Ich wollte nur ein etwas besseres Auto, jetzt suche ich einen neuen Verwalter für meinen Immobilienpark" rekrutieren Vertriebsprofis neue 'Verkaufstalente', indem sie deren Naivität nutzen, deren Gier wecken und dann daran exzellent verdienen.

Auch wer nach dem Gründer in Schenkungskreise einsteigt, hat wenig Chancen Geld herauszubekommen. Die Anzahl der Menschen, die einsteigen wollen, ist begrenzt, und die letzten Generationen bekommen garantiert nichts, da sie keine Nachfolger haben. Und wenn diese Menschen gelegentlich nachdenken, werden sie nicht für den Einstieg zahlen, da sie vielleicht doch noch erkennen, dass sie nichts bekommen …

Wenn Sie jetzt immer noch an einem Schenkungskreis teilnehmen oder für einen Strukturvertrieb arbeiten wollen, dann geben Sie doch Ihr Geld mir. Ich garantiere Ihnen, dass das weder amoralisch noch illegal ist und ich verspreche Ihnen beim Grabe meiner Großmutter, dass es mir bestimmt viel Freude machen wird!!